Peeps. Food. Shame

Ich dachte, ich hätte die Gesellschaftsfesseln weitgehend abgelegt. Doch nun kneifen und zwicken sie, lassen mich strammstehen und zweifeln.

Angesichts der hiesigen Verhaltensregeln treibt mir das wilde Tun Timos leicht die Röte ins Gesicht. Auf Stühle und Tische stehen, auf und ab springen, wo immer es ihm passt, Milch sowie Wasser spucken ebenfalls egal, und im Extremfall mit dem Essen schmeissen. Seinem Schelm und den Untaten scheinen keine Grenzen gesetzt.

Timo liebt sein lachendes Publikum. Dass in Japan mit jedem Lächeln auch die Missbilligung grösser wird, geht an ihm spurlos vorbei. Unsere Reaktion hingegen nicht. Allzu gerne scheucht er Flöru und mich wie Hühner im Käfig umher, lässt uns gackern und hilflos mit den Flügeln flattern. Nicht böswillig, aber Grenzen testend. Und umso steifer wir werden, desto unbändiger der Knirps.

„Was nun? Was tun?“, frage ich mich in diesen Tagen regelmässig. Tadle ich zu laut, könnte ich als Rabenmutter dastehen. Tue ich es nicht, als unfähige Kuh. Beides stösst meinem Ego unangenehm auf!

Nach, «Ich-spuck-jetzt-mal-die-Milch-aus»-Aktionen, weisen wir Timo meist mit einer Wartepause im Kinderwagen in die Schranken. In Verlegenheit bringen tut dies allerdings nur die Japanerinnen. So geschehen im McDonalds: Die Dame am Tisch hinter uns hat als Folge der Erziehungsmassnahme beschämt ihren Kopf gesenkt und darauf jeglichen Blickkontakt gemieden. Was sie dabei gedacht hat, bleibt ein Rätsel. Jedoch hat sie Timos Faxen schon vorher mit ihrem hellsten Lächeln bestrahlt. Ob im Positiven oder Negativen, wissen wir nicht. Leute lesen fällt hier definitiv schwerer.

Der Wunsch «to blend» in, scheint angesichts der Japaner und unsereins ein Witz. Das ist mir klar. Dennoch finde ich mich öfters im Zwiespalt wieder. Nebst dem andersartigen Aussehen und der Sprache, soll unser Junge nicht auch noch zum Monster mutieren! Sumimasen.

English translation

I thought I had largely thrown off the social shackles. But now they pinch and tweak, make me stand at attention and doubt.

In view of the local rules of conduct, Timo’s wild doings easily bring a blush to my face. Standing on chairs and tables, jumping up and down wherever it suits him, spitting milk as well as water also doesn’t matter, and in extreme cases throwing food. There seem to be no limits to his mischievousness and misdeeds.

Timo loves his laughing audience. The fact that in Japan with every smile also the disapproval becomes bigger, passes him by without a trace. Our reaction, however, does not. He likes to shoo Florian and me around like chickens in a cage, making us cluck and flap our wings helplessly. Not maliciously but testing boundaries. And the stiffer we get, the more unruly the peck.

«What now? What to do?» I ask myself regularly these days. If I reprimand too loudly, I could come off as a bad mother. If I don’t, I’m seen as an incompetent cow. Both are unpleasant for my ego!

After «I’ll spit out the milk now» actions, we usually put Timo in his place by waiting in the stroller. However, this only embarrasses the Japanese women. This is what happened at the McDonald’s: the lady at the table behind us lowered her head in shame as a result of the educational measure and avoided any eye contact. What she was thinking remains a mystery. However, she had already beamed her brightest smile at Timo’s shenanigans. Whether in a positive or negative way, we don’t know. Reading people is definitely harder here.

The desire «to blend» in, seems like a joke considering the Japanese and us. I realize that. Still, I find myself conflicted often. In addition to the different appearance and language, our boy should not mutate into a monster!

Sumimasen.

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