Caught up

Klick. Klick. Klick. Wie ein Zahnrad greifen meine Mechanismen – fehlerfrei – jedes Rädchen perfekt aufs Nächste abgestimmt. 

Manchmal findet ein Teil von mir keinen Platz im Körper; ist orientierungslos, irrt wie ein verlassenes Kind umher, läuft gegen unsichtbare Wände.

Ich könnte schreien vor Verzweiflung, doch bleibt meine Stimme weg. Meine untere Körperhälfte verschwindet im Nirgendwo. Der Druck in der Brust scheint meinen Kopf zum Bersten zu bringen. Die Atmung findet keine Tiefe mehr. 

Das Licht scheint grell in meine Augen – macht mich dünnhäutig, lässt mich verletzt auf der Strasse liegen, macht mich blind für den Schmerz, der dahinter liegt. 

Also suche ich Schutz in meinen erwachsenen Armen. Beruhige mich. Schaue dorthin, wo ich ganz und heil bin.

English translation

Click. Click. Click. My mechanisms grip like a cog – error-free – each cog perfectly matched to the next.

Sometimes a part of me just doesn’t find a place in my body. Is disoriented. Wanders around like an abandoned child. Runs against invisible walls.

I could scream in desperation, but my voice is gone. My lower body disappears into nowhere. The pressure in my chest seems to burst my head. Breathing finds no depth.

The light shines brightly in my eyes – makes me thin-skinned – leaves me hurt in the streets, blinds me to the pain that lies underneath.

So, I seek shelter in my grown arms, calm me down, look to where I am whole and healed.

Scary Tales

Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Mutigste im ganzen Land? «Ihr seid es, milady, ganz bestimmt. Niemand sonst wagt solch düstere Wege zu gehen.»

Die Wahrheit ist: Ich fürchte mich. Jeder einzelne Schritt scheint mir zuweilen schwer, die Gedanken dunkel und die Fantasie grenzenlos. Vor sieben Jahren hat sich meine Angststörung zuletzt gezeigt. Nun schlägt sie mir eisern ins Gesicht – lässt meinen Märchenwald erwachen. Böse Wölfe, die mich quer durchs Lande jagen; kinderfressende Hexen, die mein kindliches Ich gefangen halten und meinen Geist mit Schrott statt Freude nähren; Stiefmütter, die, nach alleiniger Schönheit strebend, mein Selbstwertgefühl achtlos in den Boden stampfen. Alle sind sie da, die verdammten Gestalten! Sich in dunkelsten Ecken meines Selbst versteckend, nach mir und meiner Lebensfreude trachtend.

Immer wieder stelle ich mich meinen Ängsten. Beruhige den Teil in mir, der keinen richtigen Halt findet. Den, der manchmal schon morgens heulen könnte, weil er im Dauerstress ist. Der Panik kriegt, wenn der Druck zu gross wird. Den, der lieber nichts empfindet als die Lebendigkeit des eigenen Körpers spürt, weil jede noch so kleine Rührung dem Tod gleichgesetzt wird. So tanze ich mich frei von dessen Fesseln, stampfe kraftvoll, springe leicht wie eine Feder, wiege mich im Angesicht des Feindes sanft hin zu mehr Lebensqualität – manchmal nur mit mässigem Erfolg.

Dieser mein Prozess ist anstrengend und Kräfte raubend. Das gebe ich gerne zu. Doch letzten Endes, weiss ich aus Erfahrung, weicht die Beschwerlichkeit meist Erleichterung, eingeschüchterte Persönlichkeitsanteile offenbaren ungeahnte Stärken und, diese führen hoffnungsvoll auf den weiteren Weg. Was ich aus dem aktuellen Prozess schöpfen werde? Keine Ahnung. Nur; dass mein inneres Kind gelitten hat und es das nicht mehr braucht. In gut 20 Jahren – mit liebevoller Unterstützung von mir, meinen Lieblingsmenschen, zwischenzeitlich Tanz- und Psychotherapeuten, Massagen und mehr – bin ich mir selbst Mutter und Vater geworden und trage gerne die Verantwortung für mein Leben und mich.

So entschliesse ich, mich auf jene Dinge zu konzentrieren, die Freude bringen und mein Herz vor Freude hüpfen lassen. Etwa ausgelassen mit Sohnemann Timo spielen, Schwimmen wie es die Profis tun nur viel, viel langsamer, mit Freundinnen tanzen gehen, quatschen und lachen bis der Bauch zu platzen droht. Stunde für Stunde. Tag für Tag. Immer wieder aufs Neue. Daran halte ich mich fest. Genau darum blicke ich in den Spiegel und stelle mich diesem gerade sehr schweren Prozess.

English translation

Mirror Mirror on the wall. Who is the bravest of them all? «It’s definitely you, milady. No one else dares to walk such dark paths.»

The truth is: I am afraid. Every single step seems difficult at times, my thoughts dark and my imagination boundless. My anxiety disorder last showed up seven years ago. Now she slaps me in the face with iron – awakens my fairytale forest. Bad wolves chasing me across the country; child-eating witches who imprison my childlike self and feed my spirit with junk instead of joy; stepmothers who, striving for beauty alone, carelessly trample my self-esteem into the ground. They’re all there, the damned creatures! Hiding in the darkest corners of myself, looking for me and my zest for life.

Again and again I face my fears. Soothe the part of me that doesn’t find proper support. The one who could sometimes cry in the morning because he is under constant stress. Who panics when the pressure is too great. The one who would rather feel nothing than the vitality of their own body, because even the smallest emotion is equated with death. So I dance my way free from its chains, stomp powerfully, jump lightly as a feather, rock gently in the face of the enemy towards a better quality of life – sometimes only with moderate success.

This «my» process is exhausting. I’ll gladly admit that. But in the end, I know from experience, the difficulty usually gives way to relief, intimidated parts of the personality reveal unexpected strengths and these lead hopefully on the further path. What will I get out of the current process? No idea. Only; that my inner child suffered and doesn’t need it anymore. In approximately 20 years – with loving support from me, my favorite people, in the meantime dance and psychotherapists, massages and more – I have become a mother and father to myself and I am happy to take responsibility for my life and myself.

So I decide to focus on those things that bring joy and make my heart skip a beat. Playing exuberantly with my son Timo, swimming like the pros do only much, much slower, going dancing with friends, chatting and laughing until my stomach threatens to burst. Hour after hour. Day after day. Again and again. I’m sticking to that. That’s why I look in the mirror and face this very difficult process.

An Unexpected Journey

Ein voluminöser, schwerer Schleier liegt über Luzern «der Leuchtenstadt». Sicher dauert es nicht mehr lange bis sich der Himmel entlädt. Ich bin unruhig, habe Angst in Bewegung zu bleiben und froh im Zug hinzusitzen. Erleichtert drücke ich mich in das weiche Polster und schliesse die Augen. Mit aufgesetzter Sonnenbrille fühle ich mich unbeobachtet; sicher. Angestrengt richte ich den Blick nach innen: Ich suche nach Gelassenheit und meine Kräfte zu bündeln.
Ich entdecke sie nicht gleich, aber ich spüre, sie ist da. Inmitten eines scheinbar leeren, undurchsichtigen Raumes, an eine meterhohe Nebelwand gedrückt, kauert dieses kleine Mädchen – regungslos, emotionslos; das braune Haar zu Zöpfen gebunden. Was sie bloss hat?


Vorsichtig nähere ich mich dem gesichts- und namenlosen Wesen. Drohe es mit jedem Schritt und dem unbändigen Schatten meines Selbst zu schlucken. Hallo? Wie geht es dir?, höre ich mich fragen. Soll ich dich halten? Brauchst du was? hake ich unbeiirt nach. Keine Antwort, aber ein Gefühl drängt sich mir auf: Es fordert Distanz und Geduld gleichermassen. Also bleibe ich stehen. Beobachte. Warte ab.


Ich frage mich wie alt das Mädchen ist und werde sogleich meinen Gedankesgedanken entrissen. Sie lässt sich polternd zur linken Seite fallen – noch immer kauernd und, nach wie vor stumm. Nun wage ich mich ein wenig näher ran und beuge mich fragend vornüber. War da was? Ein Blinzeln vielleicht? Plötzlich springt das mein inneres Kind auf, streckt sich, reckt sich, hüpft kraftvoll in die Höhe.


Als mein Augenmerk wieder auf die Aussenwelt zielt, hat die Unruhe in mir der Ruhe Platz gemacht und die Angst aus meinen Poren vertrieben. Entschlossen trete ich auf die Füsse. Der Zug hat am Zürcher Hauptbahnhof Halt gemacht.

English translation


A voluminous, heavy veil lies over Lucerne «the city of lights». Surely it won’t be long before the sky unloads. I am restless, afraid to keep moving and glad to sit down in the train. Relieved, I press myself into the soft cushion and close my eyes. With my sunglasses on, I feel unobserved; safe. Strained, I turn my gaze inward: I look for serenity and to focus my energies.


I don’t discover it right away, but I sense it’s there. In the middle of a seemingly empty, opaque room, pressed against a meter-high wall of fog, crouches this little girl – motionless, emotionless; her brown hair tied in pigtails. What is wrong with her?
Cautiously I approach the faceless and nameless being. Threatening to swallow it with every step and the irrepressible shadow of my self. Hello? How are you? I hear myself ask. Do you want me to hold you? Do you need anything? I ask unyielding. No answer, but a feeling forces itself upon me – it demands distance and patience in equal measure. So I stand still. Observe. Wait and see.

I wonder how old the girl is and am immediately snatched away from my thoughts. She lets herself fall rumbling to the left side – still crouching and, as before, silent. Now I dare to come a little closer and bend over questioningly. Was there something? A blink, perhaps? Suddenly, my inner child jumps up, stretches, and leaps powerfully into the air.


When my eyes turn back to the outside world, the restlessness in me has given way to calm and the fear has been driven out of my pores. Determined, I step to my feet. The train has stopped at Zurich’s main station.